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Neurologie:
Auf Spurensuche in der menschlichen Muskulatur

05.06.2024

Neurowissenschaftliches Team aus Bochum und Utrecht untersucht Einsatz quantitativer MRT-Verfahren bei genetisch bedingten Muskelerkrankungen. (c) SFB 874/ Susanne Troll

Neurowissenschaftliches Team aus Bochum und Utrecht untersucht Einsatz quantitativer MRT-Verfahren bei genetisch bedingten Muskelerkrankungen.

Muskeldystrophien sind eine Gruppe unheilbarer Krankheiten. Nach und nach bauen die Muskeln  ab, werden immer schwächer und durch Fetteinlagerungen ersetzt. In einer Studie haben Forschende der Ruhr-Universität Bochum in Kooperation mit dem Universitätsklinikum Utrecht nun untersucht, wie die quantitative Magnetresonanztomographie (MRT) helfen kann, den Verlauf dieser Muskelerkrankungen zu dokumentieren und perspektivisch neue Therapieansätze zu evaluieren.
Den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gelang es, Veränderungen in der Muskulatur innerhalb eines Jahres sichtbar zu machen und das genaue Ausmaß der Schädigungen zu bestimmen. Die Ergebnisse der Studie wurden am 25. Mai in der Fachzeitschrift „NMR in Biomedicine“ veröffentlicht.

Erwartetes Frühwarnsystem brachte Überraschung

Seinen Fokus legte das Forschungsteam auf die Gliedergürtelmuskeldystrophie, eine seltene Gruppe der genetisch bedingter Muskelerkrankungen, die zunächst durch Muskelschwäche und Muskelschwund im Schulter- und Beckengürtel gekennzeichnet ist. Im weiteren Verlauf breitet sich die Krankheit dann über die oberen und unteren Extremitäten aus. Insgesamt wurden 13 Testpersonen mit Gliedergürtelmuskeldystrophie über einen Zeitraum von einem Jahr untersucht. „Unser Ziel war es mit Hilfe der quantitativen MRT der Beinmuskeln, frühzeitige Hinweise auf eine drohende Verschlechterung des Krankheitsverlaufs zu erkennen“, beschreibt Erstautor Dr. Johannes Forsting.

Die Forschenden fanden heraus, dass der Fettanteil während des einjährigen Untersuchungszeitraums vor allem in den mäßig geschädigten Muskeln stark zunahm. Auch ließen sich Entzündungszeichen in der noch gut erhaltenen Muskulatur nachweisen. Eine weitere erwartete Auffälligkeit konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hingegen nicht nachweisen. „Wir hatten aufgrund einer vorherigen Studie damit gerechnet, auch strukturelle Veränderungen aufzudecken und somit eine Art Frühwarnsystem benennen zu können“, so PD Dr. Lara Schlaffke, die die Studie am Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikum Bergmannsheil in Bochum leitete. Der Beobachtungszeitraum von einem Jahr sei offenbar zu kurz gewesen, um solche Veränderungen mittels der quantitativen MRT zu erkennen.

Es gebe sehr viele verschiedene Formen neuromuskulärer Erkrankungen, erläutert die Wissenschaftlerin, die als Principal Investigator am Research Department of Neuroscience (RDN) an der RUB forscht. Die meisten seien sehr selten. Für einige gebe es aber zunehmend neue therapeutische Ansätze die langsam auf den Markt kämen. Die Forschungsergebnisse zeigten hier vielversprechende Möglichkeiten auf. „Um neue Konzepte im Detail beurteilen und weiterentwickeln zu können, werden nicht-invasive, objektive Biomarker benötigt, die gezielt und frühzeitig über den Muskelzustand informieren“, führt Forsting weiter aus. Der Einsatz der quantitativen MRT könne dabei zukünftig ein wertvolles Instrument sein.

Verbesserte Behandlungsmethoden für gesteigerte Lebensqualität

„Unser Ziel ist es eine Methode zu entwickeln, die mittelfristig im klinischen Alltag eingesetzt werden kann“, schließt Schlaffke. „Die Ergebnisse stellen einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu verbesserten Behandlungsmethoden und einer gesteigerten Lebensqualität für Patientinnen und Patienten dar.“

Hintergrundinformation „Gliedergürtelmuskeldystrophie“
Die Gliedergürtelmuskeldystrophie ist eine Gruppe seltener Erkrankungen. In Deutschland wird die Zahl der Patientinnen und Patienten auf 500 bis 5000 geschätzt. Der Beginn der Erkrankung reicht vom Kleinkind- bis in das hohe Erwachsenenalter. Sowohl milde als auch schwere Verläufe sind möglich. Herz-, Atem- und Schluckbeschwerden können, müssen aber nicht auftreten. Eine Heilung ist bisher nicht möglich.

Förderung:
Die Publikation wurde durch die FoRUM Forschungsförderung der Medizinischen Fakultät an der Ruhr-Universität Bochum sowie den Sonderforschungsbereich 874 (SFB 874) der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. Der SFB 874 „Integration und Repräsentation sensorischer Prozesse“ bestand von 2010 bis 2022 an der Ruhr-Universität Bochum.

Originalveröffentlichung:
Forsting J, Wächter M, Froeling M, Rohm M, Güttsches AK, De Lorenzo A,  Südkamp N, Kocabas A, Vorgerd M, Enax-Krumova E, Rehmann R, and Lara Schlaffke (2024) Quantitative muscle MRI in limb-girdle muscular dystrophy type R1 (LGMDR1): a prospective longitudinal cohort study. NMR in Biomedicine. Doi: 10.1002/nbm.5172

Link zur Publikation:
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/38794994/

Kontakt:
PD Dr. Lara Schlaffke
Arbeitsgruppe Neuroimaging
Neurologische Klinik und Poliklinik
Medizinische Fakultät
Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil Bochum
Tel: +49 (0)234 302-3449
Email: lara.schlaffke@ruhr-uni-bochum.de

Text:
Anke Maes

Foto:
SFB 874/ Susanne Troll

Neurowissenschaftliches Team aus Bochum und Utrecht untersucht Einsatz quantitativer MRT-Verfahren bei genetisch bedingten Muskelerkrankungen. (c) SFB 874/ Susanne Troll

Neurowissenschaftliches Team aus Bochum und Utrecht untersucht Einsatz quantitativer MRT-Verfahren bei genetisch bedingten Muskelerkrankungen.

Muskeldystrophien sind eine Gruppe unheilbarer Krankheiten. Nach und nach bauen die Muskeln  ab, werden immer schwächer und durch Fetteinlagerungen ersetzt. In einer Studie haben Forschende der Ruhr-Universität Bochum in Kooperation mit dem Universitätsklinikum Utrecht nun untersucht, wie die quantitative Magnetresonanztomographie (MRT) helfen kann, den Verlauf dieser Muskelerkrankungen zu dokumentieren und perspektivisch neue Therapieansätze zu evaluieren.
Den Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern gelang es, Veränderungen in der Muskulatur innerhalb eines Jahres sichtbar zu machen und das genaue Ausmaß der Schädigungen zu bestimmen. Die Ergebnisse der Studie wurden am 25. Mai in der Fachzeitschrift „NMR in Biomedicine“ veröffentlicht.

Erwartetes Frühwarnsystem brachte Überraschung

Seinen Fokus legte das Forschungsteam auf die Gliedergürtelmuskeldystrophie, eine seltene Gruppe der genetisch bedingter Muskelerkrankungen, die zunächst durch Muskelschwäche und Muskelschwund im Schulter- und Beckengürtel gekennzeichnet ist. Im weiteren Verlauf breitet sich die Krankheit dann über die oberen und unteren Extremitäten aus. Insgesamt wurden 13 Testpersonen mit Gliedergürtelmuskeldystrophie über einen Zeitraum von einem Jahr untersucht. „Unser Ziel war es mit Hilfe der quantitativen MRT der Beinmuskeln, frühzeitige Hinweise auf eine drohende Verschlechterung des Krankheitsverlaufs zu erkennen“, beschreibt Erstautor Dr. Johannes Forsting.

Die Forschenden fanden heraus, dass der Fettanteil während des einjährigen Untersuchungszeitraums vor allem in den mäßig geschädigten Muskeln stark zunahm. Auch ließen sich Entzündungszeichen in der noch gut erhaltenen Muskulatur nachweisen. Eine weitere erwartete Auffälligkeit konnten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler hingegen nicht nachweisen. „Wir hatten aufgrund einer vorherigen Studie damit gerechnet, auch strukturelle Veränderungen aufzudecken und somit eine Art Frühwarnsystem benennen zu können“, so PD Dr. Lara Schlaffke, die die Studie am Berufsgenossenschaftlichen Universitätsklinikum Bergmannsheil in Bochum leitete. Der Beobachtungszeitraum von einem Jahr sei offenbar zu kurz gewesen, um solche Veränderungen mittels der quantitativen MRT zu erkennen.

Es gebe sehr viele verschiedene Formen neuromuskulärer Erkrankungen, erläutert die Wissenschaftlerin, die als Principal Investigator am Research Department of Neuroscience (RDN) an der RUB forscht. Die meisten seien sehr selten. Für einige gebe es aber zunehmend neue therapeutische Ansätze die langsam auf den Markt kämen. Die Forschungsergebnisse zeigten hier vielversprechende Möglichkeiten auf. „Um neue Konzepte im Detail beurteilen und weiterentwickeln zu können, werden nicht-invasive, objektive Biomarker benötigt, die gezielt und frühzeitig über den Muskelzustand informieren“, führt Forsting weiter aus. Der Einsatz der quantitativen MRT könne dabei zukünftig ein wertvolles Instrument sein.

Verbesserte Behandlungsmethoden für gesteigerte Lebensqualität

„Unser Ziel ist es eine Methode zu entwickeln, die mittelfristig im klinischen Alltag eingesetzt werden kann“, schließt Schlaffke. „Die Ergebnisse stellen einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu verbesserten Behandlungsmethoden und einer gesteigerten Lebensqualität für Patientinnen und Patienten dar.“

Hintergrundinformation „Gliedergürtelmuskeldystrophie“
Die Gliedergürtelmuskeldystrophie ist eine Gruppe seltener Erkrankungen. In Deutschland wird die Zahl der Patientinnen und Patienten auf 500 bis 5000 geschätzt. Der Beginn der Erkrankung reicht vom Kleinkind- bis in das hohe Erwachsenenalter. Sowohl milde als auch schwere Verläufe sind möglich. Herz-, Atem- und Schluckbeschwerden können, müssen aber nicht auftreten. Eine Heilung ist bisher nicht möglich.

Förderung:
Die Publikation wurde durch die FoRUM Forschungsförderung der Medizinischen Fakultät an der Ruhr-Universität Bochum sowie den Sonderforschungsbereich 874 (SFB 874) der Deutschen Forschungsgemeinschaft gefördert. Der SFB 874 „Integration und Repräsentation sensorischer Prozesse“ bestand von 2010 bis 2022 an der Ruhr-Universität Bochum.

Originalveröffentlichung:
Forsting J, Wächter M, Froeling M, Rohm M, Güttsches AK, De Lorenzo A,  Südkamp N, Kocabas A, Vorgerd M, Enax-Krumova E, Rehmann R, and Lara Schlaffke (2024) Quantitative muscle MRI in limb-girdle muscular dystrophy type R1 (LGMDR1): a prospective longitudinal cohort study. NMR in Biomedicine. Doi: 10.1002/nbm.5172

Link zur Publikation:
https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/38794994/

Kontakt:
PD Dr. Lara Schlaffke
Arbeitsgruppe Neuroimaging
Neurologische Klinik und Poliklinik
Medizinische Fakultät
Berufsgenossenschaftliches Universitätsklinikum Bergmannsheil Bochum
Tel: +49 (0)234 302-3449
Email: lara.schlaffke@ruhr-uni-bochum.de

Text:
Anke Maes

Foto:
SFB 874/ Susanne Troll